Entlastung des Verwalters – Kein Vorteil für die Eigentümer

Auf fast allen Einladungen zur Eigentümerversammlung findet sich der Tagesordnungspunkt „Entlastung des Verwalters". Wem nutzt ein solcher Beschluss?

Der Verwalter legt die Punkte für die Eigentümerversammlung fest. Manchmal darf der Verwaltungsbeirat gemäß § 29 Absatz 2 WEG hier unterstützend mitwirken, was nicht die Regel ist.

Somit kann der Verwalter auch Punkte aufnehmen, die ihn begünstigen. Dazu gehört der vorgenannte Tagesordnungspunkt.

 

Beispiel:

Die Eigentümerversammlung fand am 28.04.2016 statt.

Die „Entlastung des Verwalters" wird mit einfacher Mehrheit beschlossen.

Dieser Beschluss wird nicht angefochten.

Somit ist dieser Beschluss rechtskräftig.

 

Vorteile für den Verwalter:

  • Zeitliche Reduzierung der Haftungszeit

Die normale Verjährungsfrist endet erst am Ende des dritten Jahres, das auf das Jahr der  Eigentümerversammlung folgt - also am 31.12.2019.

-> Mit dem Entlastungbeschluss endet die Haftung des Verwalters sofort.

 

  • Eine Abberufung und Kündigung des Verwalters können nicht mehr auf solche Grunde gestützt werden, die zeitlich vor dem Entlastungsbeschluss liegen (BayObLG Beschluss vom 06.08.1985 - Aktenzeichen: 2 Z 45/85; OLG Köln Beschluss vom 09.08.2000 - Aktenzeichen 16 Wx 67/00).

 

  • Die Eigentümergemeinschaft verzichtet ganz allgemein auf mögliche Ansprüche aus der Geschäftsbesorgung der Verwaltung (OLG Frankfurt Beschluss vom 11.07.1988 – Aktenzeichen: 20 W 76/88).

Die Geschäftsbesorgung ergibt sich aus dem Verwaltervertrag. Dort war eine jährliche Objektbegehung vereinbart worden, die aber in dem entsprechenden Jahr nicht durchgeführt wurde. Somit wurden etwaige Schäden auf dem Dach nicht erkannt, was letztlich mit höheren Beseitigungskosten auf Grund der zeitlichen Verzögerung einhergeht.

 

  • Der Verwalter ist von allen noch nicht erfüllten Verwaltungsobliegenheit (= Verwaltungspflichten) entbunden (BayObLG Beschluss vom 28.04.1975 - Aktenzeichen: 2 Z 22/75).

 

  • Der Verwalter ist von den Pflichten zur weiteren Rechnungslegung befreit (BayObLG Beschluss vom 28.04.1975 - Aktenzeichen: 2 Z 22/75).

Eine nachträgliche Korrektur der Jahresabrechnung ist nach der Entlastung des Verwalters nicht mehr möglich. Das vorherige Versprechen des Verwalters ist damit hinfällig, die Wasserkosten neu abzurechnen (Verteilung nach qm Wohnfläche statt – wie im Vorjahr beschlossen - nach dem Wasserverbrauch laut Wasserzähler).

 

  • Der Verwalter ist nicht mehr zu Auskünften verpflichtet, die den Zeitraum vor der Entlastung betreffen (BayObLG Beschluss vom 24.01.1978 - Aktenzeichen: 2 Z 45/77), insbesondere, wenn die Auskünfte dazu dienen sollten, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (die durch die Entlastung ausgeschlossen worden sind) gegen den Verwalter vorzubereiten.

Eine Baumaßnahme erfolgte fehlerhaft. Der Verwalter verzichtet darauf, die vereinbarten Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Bauunternehmer geltend zu machen. Mit der Entlastung braucht er jetzt auch keine Auskünfte mehr zu geben. Und um die Zahlung eines möglicherweise berechtigten Schadensersatzanspruches kommt der Verwalter jetzt auch noch.

 

  • Es gibt noch weitere Vorteile für den Verwalter, auf die hier jetzt nicht eingegangen werden kann.

 

Nachteile für den Verwalter:

  • keine

 

Vorteile für die Eigentümer:

  • Keine

 

Nachteile für die Eigentümer:

  • siehe Vorteile für den Verwalter
  • Sollte ein Punkt z. B. aus der Jahresabrechnung 2015 (Beispiel) angefochten werden, erhöhen sich die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten, weil auch der TOP „Entlastung der Verwalters" angefochten werden muss.

 

Fazit:

Mit einer Entlastung

  • verzichten Sie als Eigentümer auf eine Menge Ihrer eigenen Rechte und
  • verschaffen dem Verwalter zahlreiche Vorteile.

 

Warum sollten Sie dies eigentlich tun?

 

Der Verwalter hat keinen Anspruch auf seine Entlastung, aber er darf diesen Tagesordnungspunkt zur Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft vorlegen.

Und wie Sie ja wissen, wird über diesen Punkt in der Regel binnen weniger Sekunden abgestimmt. Und fast immer wird diese Entlastung (= Verzicht auf die eigenen Rechte) mit Mehrheit beschlossen.

Und wie wollen Sie in Zukunft von Ihrem Verwalter ernst genommen werden?

Übrigens: Gute Verwalter nehmen diesen Punkt erst gar nicht auf die Tagesordnung.

 

Tipp:

· Stimmen Sie NIE für die Entlastung der Verwaltung.

· Verzichten NIE freiwillig auf Ihre Rechte.

 

Als Quelle, auch für die Übernahme von Textpassagen, wurde verwendet:

Greiner/Köhler in Köhler/ Bassenge (Hrsg.): Anwalts-Handbuch Wohnungseigentum, Seite 944f, 2004, Köln

 

29.04.2016 - zuletzt geändert am 26.07.2016 – Dieter Walinski

 

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