Eigentum verpflichtet – auch zum Reden

Wo reden Wohnungseigentümer eigentlich miteinander? Auf der Eigentümerversammlung, so will es der Gesetzgeber. Dies ist der einzige Ort, wo sich Wohnungseigentümer zielgerichtet zusammenfinden, um sich mit anderen Eigentümern auszutauschen. Ihr gemeinsames Thema ist stets ihr gemeinsames Eigentum.

Soweit die Theorie. Wie aber sieht die Praxis aus:

Im Nachfolgenden rücken insbesondere zwei Kriterien in den Mittelpunkt:

  • Die Versammlungsleitung liegt in der Regel bei der WEG-Verwaltung.

Diese ist sinnigerweise für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig. Dazu gehört auch die Versammlungsleitung. Der Gesetzgeber führt dazu in WEG § 24 Absatz 5 aus „Den Vorsitz in der Wohnungseigentümerversammlung führt, sofern diese nichts anderes beschließt, der Verwalter.“

Daher ist vor diesem Hintergrund die Frage erlaubt, wieso oftmals in Verwalterverträgen Versammlungsleitung durch die Eigentümer ausgeschlossen wird und einseitig der WEG-Verwaltung vorbehalten bleibt?

Sicherlich kann die Neutralität eines Dritten in einer Gemeinschaft hilfreich sein. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob eine WEG-Verwaltung diese notwendige Neutralität gewährleisten kann. Denn schließlich ist sie „nur“ ausführende Vertragspartnerin der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Dabei wird gerne übersehen, dass die Verwaltung meist kein Eigentümer ist, sondern ein Gemeinschaftsfremder. Alle anderen Nicht-Eigentümer sind von der Teilnahme an der solchen Versammlung ausgeschlossen.

Da drängt sich ein Vergleich auf:

Ein Angestellter leitet die Vorstandssitzungen seines Arbeitgebers. In der Arbeitswelt eine kaum realistische Vorstellung, nicht wahr? Dies ist aber Realität in der Welt der Wohnungseigentümer.

b) Die Tagesordnung wird von der WEG-Verwaltung aufgestellt.

Damit will der Gesetzgeber wohl sicherstellen, dass auf der Versammlung nur Themen verhandelt und beschlossen werden, die ausschließlich das Gemeinschaftseigentum betreffen. So weit, so gut.

Wie bitte kommen aber Themen, die die Eigentümergemeinschaft betreffen auf die Tagesordnung? Auch hier hat der Gesetzgeber eine Lösung parat. In WEG § 24 Absatz 2 heißt es „Die Versammlung der Wohnungseigentümer muss von dem Verwalter in den durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer bestimmten Fällen, im übrigen dann einberufen werden, wenn dies schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer verlangt wird.“

Diese Meßlatte ist hoch:

  • mehr als 25 % aller Wohnungseigentümer müssen eine Versammlung verlangen.

  • Die Formvorschrift „schriftlich“ bedeutet, dass diese Eigentümer den Antrag mit eigenhändiger Unterschrift versehen müssen. Fax oder Email (= Textform) reichen hier nicht aus. Somit entsteht ein enormer Aufwand an Zeit, Papier und Portokosten für die „aufbegehrenden“ Eigentümer.

  • Der Antrag muss begründet werden.

Auf Antrag nur eines einzelnen Eigentümers müssen Punkte der ordnungsgemäßen Verwaltung auf die Tagesordnung gebracht werden. So hat zuletzt das Landgericht München I am 16.05.2011 entschieden (Aktenzeichen: 1 S 5166/11). Welche Punkte der ordnungsgemäßen Verwaltung unterliegen, legt letztlich wieder ein Gericht fest.

Anhand dieser beiden Punkt wird schon deutlich, wie schwer es für einen Wohnungseigentümer ist, etwas zu einem Thema zu machen.

Wen wundert es dann nicht, dass die Eigentümerversammlung zu einem Abnicken der von der WEG-Verwaltung vorgeschlagenen Tagesordnungspunkte verkommt.

Dabei ist die Stimmung auf einer Versammlung oftmals emotional geladen. Für Lob und Anerkennung einerseits und Kritik, Wut oder Enttäuschung andererseits ist auf dieser Versammlung kein Raum. Dabei hat der Gesetzgeber übersehen, dass es neben der WEG-Immobilie auch die Miteigentümer wesentlicher Bestandteil des Gesetzes sind.

Schließlich war das WEG in den 50er Jahren des letzten Jahrtausends als eine der ersten basisdemokratischen Einrichtungen geschaffen worden. Das Recht zum Reden (das Recht auf Meinungsfreiheit) ist dabei massiv eingeschränkt worden.

Wo es keine Redner gibt, gibt es auch keine Zuhörer mehr.

15.02.2012 - Dieter Walinski

Eigentum verpflichtet – auch zum Reden